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Der Bundesplatz entstand um die Jahrhundertwende; zusammen mit der Moosstrasse wurde er als Dreh- und Angelpunkt im neuen Achsensystem der linksufrigen Stadt konzipiert. Bis heute hat er seine Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt nicht verloren – im Gegenteil.
Zwischen dem Konkordia-Haus (links), das 1967 abgerissen wurde, und dem Hotel Johanniterhof (heute Cascada) zeigt sich die Verspieltheit der Architektur, die eine Vielzahl von historisierenden Formen in einzelne Blockrandüberbauung einbezog. Rechts ist das Eingangsportal zur Villa Moos zu erkennen.
In den Fünfzigerjahren wurde an der Stelle der Villa Moos der sogenannte „Cervelat-Palast“ gebaut, der Rundbau von Kino Capitol bis Langensandbrücke. In den Sechzigerjahren veränderte der Bundesplatz sein Gesicht dann auch an der Einfallsachse der Hirschmattstrasse. An der Westecke wurde entlang der Hirschmattstrasse ein mehr als unauffälliger Zweckbau erstellt, in dem sich zunächst ein „Telecafé“ befand. Dieses umfasste etwa 200 Sitzplätze und eine Musterküche. Köche wurden bei der Arbeit gefilmt und die Bilder in den Zuschauerraum übertragen. Dort konnten Frauen zuschauen und gleichzeitig degustieren. Allerdings blieb der Erfolg aus, was Emil Steinberger, der auf der Suche nach einem Lokal für ein Kleintheater war, auf den Plan rief. Er engagierte sich immer mehr auch in der Programmierung, und „so konnte ich ab 1965 in diesem Lokal meinen Traum vom Luzerner Kleintheater am Bundesplatz sukzessive realisieren“, wie er schreibt. Offiziell wurde das Kleintheater am 12. September 1967 eröffnet. 1978 wurde es in eine Stiftung überführt, heute programmiert es pro Saison rund 80 verschiedene Produktionen und wird von rund 20‘000 Zuschauern besucht.
An der Ostseite des Bundesplatzes hatte die Schweizerische Kranken- und Unfallkasse Konkordia, die 1919 von Zug nach Luzern gekommen war (und die sich heute „Concordia“ schreibt), bereits 1924 ein eigenes Haus bezogen – am Bundesplatz 15. 1963 erwarb sie das angrenzende Doppelhaus (Bundesplatz 16 und 17) und plante schon bald einen Neubau. Mit dem Abbruch des alten Gebäudes wurde im Frühling 1967 begonnen, am 15. Mai 1970 weihte die Concordia ihr architektonisch markantes, fünfstöckiges Gebäude ein. Erstellt wurde es nach Plänen von Hans Käppeli, der 1958 als Partner im Architekturbüro von Otto Dreyer, dem Erbauer der Zentralbibliothek im Sempachergarten, arbeitete und 1959 – gemeinsam mit Dreyer – massgeblich am Bau des Verkehrshauses der Schweiz beteiligt war.
Es war ein deutliches Zeichen, dass in Luzern eine neue Zeitrechnung anbrach. Erstmals tauchte im „Schweizerischen Ortslexikon“ der PTT um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert der Name „Bundesplatz“ auf. Dafür verschwand ein Traditionsname aus den Verzeichnissen und Stadtplänen: Amlehn. Das idyllische Landgut im Moos hatte einst Niklaus Amlehn gehört, dem berüchtigten Schultheissen aus dem 16. Jahrhundert, der 1559 mit einem Geheimbund (dem sogenannten „Pfyffer-Amlehn-Handel“) versucht hatte, die Macht über die einträglichen Söldnerpensionen an sich zu reissen und damit gescheitert war. Später ging das Gut in den Besitz der Patrizierfamilie Schumacher über, die 1902 am neuen Bundesplatz eine repräsentative, dreiteilige Villa erstellen liess. Architekt war Heinrich Walter Schumacher, Auftraggeber war Heinrich Schumacher-de Gottrau, Offizier in Neapel-Sizilien, Major-Kommandant und Ritter vom Heiligen Grab.
Gestört wurde die Idylle in den Dreissigerjahren des 20. Jahrhunderts, als der Siedlungsdruck der Stadt über den Bundesplatz hinausgriff. Zwischen der Bahnlinie und der Villa Moos entstand das Kino Capitol, das zwar am 9. Februar 1932 seinen Betrieb aufnahm, dies aber in einem halbfertigen Gebäude vor dem offenen Bundesplatz – „keine Augenweide“, wie die Quartierchronik von 1978 festhält. Die Entstehung des Kino Capitol war eine Leidensgeschichte, gezeichnet von massiven Kostenüberschreitungen, und auch später kam es zu häufigen Handwechseln.
1950 schliesslich wurde die Villa Moos der Familie Schumacher abgerissen. Sie wich dem 22 Meter hohen Rundbau, der vom Kino Capitol bis zur Langensandbrücke reicht im Volksmund auch als „Cervelat-Palast“ bezeichnet wird – ob seiner gekrümmten Form und seiner gelblich-braunen Farbe wegen oder als Anspielung auf den Speisezettel seiner Bewohner, ist unklar. Städtebaulich wird die „grosszügig geschwungene Häuserzeile“, so das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), als eine „genaue Reaktion der Fünfzigerjahre auf die stark abgewinkelte Blockrandbebauung“ der Jahrhundertwende betrachtet.
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