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Als die Allgemeine Baugenossenschaft Luzern (ABL) gegründet wurde, war das Himmelrich als Standort der künftigen ABL-«Mutterkolonie» vorbestimmt. In drei Etappen – zwischen 1925 und 1934 – entstanden dort fast 500 Wohnungen. Die grösste Siedlung – das Himmelrich 3 mit ursprünglich 235 Wohnungen – wird seit 2015 erneuert. Nach dem Einbau einer Autoeinstellhalle in den Neunzigerjahren hatte sich der Grundwasserspiegel gesenkt, die Gebäude waren in Schieflage geraten. 2019 wurde der erste Neubau – ein dreieckiger Blockrandbau anstelle der bisherigen Zeilenbauten – eröffnet. 2023 wird auch der Neubau entlang der Bahnlinie vollendet sein.
Die «Mutterkolonie» der ABL ist mit ihren 43 zusammengebauten Doppelhäusern und ihren knapp fünfhundert Wohnungen eine der dichtesten Genossenschaftskolonien der Schweiz. Vorne der dreieckige Neubau des Himmelrich 3, rechts daneben der Zeilenbau, der gegenwärtig durch einen Neubau ersetzt wird. Hinten rechts das Himmelrich 1, links daneben (hinter dem Neubau) das Himmelrich 2, dazwischen die Bäume des Bleichergärtli.
1924 wurde die Allgemeine Baugenossenschaft Luzern (ABL) in einem beeindruckenden Tempo gegründet. An einer ersten Orientierungsversammlung am 3. Mai 1924 fanden sich fünfzig Personen im Hotel Konkordia (an der Theaterstrasse 9) ein. Nicht einmal drei Wochen später – am 23. Mai 1924 – wurde die ABL von 178 Personen gegründet. Der eigentliche Initiant, Hans Stingelin, kam aus dem genossenschaftsfreundlichen Umfeld der Eisenbahner. Er war Souschef der SBB und wurde an der Gründungsversammlung als der erste ABL-Präsident gewählt.
Wandbild von Hans Erni von 1937: Der erste Präsident der ABL, Hans Stingelin, steht in der Bähnler-Uniform vor Otto Schärli, Architekt der Himmelrich- und der Weinbergli-Überbauungen. Stingelin war SBB-Souschef in Luzern. Links neben ihm sitzt Johann Bolli, Baumeister der Weinbergli-Kolonie.
Unmittelbar nach der Gründung erkundigte sich die ABL mit einer Umfrage nach den Bedürfnissen ihrer Mitglieder. Eine grosse Mehrheit wollte Drei oder Vierzimmerwohnungen mit Bad. Ebenso deutlich fiel die Standortwahl auf das Obergrund-/Moosmattquartier, nicht auf das Maihof-, St. Karli- oder Fluhmühle-Quartier.
Eine erste Parzelle erwarb die ABL bereits im Sommer 1924: 3000 Quadratmeter für 60 000 Franken. Über das Bauprojekt war sich der Vorstand schon am 26. August 1924 einig. Es stammte von Otto Schärli, der sich gegen drei Mitbewerber durchsetzte, und umfasste den Bau von fünf Doppelwohnhäusern mit 35 Drei- und 25 Vierzimmerwohnungen. An der Generalversammlung vom 5. September 1924 wurde der Baukredit in der Höhe von 980 000 Franken genehmigt. Noch vor Ende des Jahres gelang es der ABL ein weiteres Grundstück zu kaufen: 2500 Quadratmeter zu 70 000 Franken. Verkäufer waren die Geschwister Bühler, Besitzer des Herrenhauses Himmelrich.
Dort, an der Bleicherstrasse und am Neuweg, erfolgte der Spatenstich am 23. Februar 1925, und im September zogen bereits die ersten Mieter ein. Wie gross das Interesse an den Wohnungen war, zeigte sich an einer Wohnungsausstellung in der neuen Überbauung: Sie wurde von 20 000 Personen besucht. Nur ein Jahr nach ihrer Gründung zählte die ABL schon über 600 Mitglieder.
ABL-Bauten im Himmelrich:
1925 bis 1926: Bleicherstrasse und Neuweg (1)
1927 bis 1929: Himmelrich-, Bundes- und Bleicherstrasse (2)
Blockrandbebauungen, Architekt: Otto Schärli sen.
1931 bis 1934: Claridenstrasse, Tödistrasse und Heimatweg (3)
Zeilenbauten, Architekt: Werner Dolder
Die drei Himmelrich-Überbauungen auf dem Stadtbebauungsplan von 1931/33.
Otto Schärli sen. (1890–1954) und der ABL blieb der Vorwurf nicht erspart, die Himmelrich-Bauten seien Mietskasernen. 1927 wehrte sich Schärli. «Ich glaube, zu Unrecht», schrieb er in der Schweizerischen Zeitschrift für Wohnungswesen. «Da sich in nächster Nähe schon sechsstöckige Miethäuser befinden, da ferner mit Sicherheit anzunehmen ist, dass das ganze anschliessende Areal der Himmelrichmatte die höchstmögliche Überbauung erfahren werde, entschloss sich unsere Genossenschaft zur grösstmöglichen Ausnützung des Baugrundes.»
Die erste Himmelrich-Überbauung an der Bleicherstrasse und am Neuweg. Bild von 1927.
Er argumentierte mit den Kosten: Für jede Wohnung müsse mit einem Mehrzins von 80 Franken gerechnet werden, «wenn eine solche Mietskaserne um eine Etage reduziert wird.» Aber auch aus ästhetischer Sicht biete «die volle Ausnützung des Baugesetzes viel mehr Gewähr für eine gleichmässige Gesims- und Firsthöhe und somit geschlossene, ruhige Strassenbilder».
Standardküche der ABL mit Kochofen (links) und Holz- und Kohlenbadeofen (hinten) für die Warmwasseraufbereitung.
Eine ähnliche Diskussion entspann sich Ende der Zwanzigerjahre, als der Bau des Himmelrich 3 geplant wurde. Werner Dolder, Architekt der Überbauung, rühmte später die Revision des Stadtbauplans von 1930. Dieser habe den Bau von Häuserzeilen ermöglicht. «Dadurch wurde eine allgemein bessere Besonnung der Wohnungen und ein harmonischer Anschluss an die kleine bestehende Grünanlage der Stadt [das Bleichergärtli] erreicht», schrieb er 1947 in einem Rückblick. Seit dem Neubau von 2019 ist der Haupttrakt des Himmelrich 3 wieder ein Blockrandbau.
Obwohl in den Anfangsjahren immer zwei Stadträte mit Vetorecht an den ABL-Vorstandssitzungen teilnahmen, kam es regelmässig zu Spannungen zwischen der ABL und der Stadtregierung. Kontrovers war insbesondere die Praxis der ABL, Kapitaleinlagen von Mietern zu verlangen. 1927 hatten diese 1600 Franken für eine Dreizimmer- und 2000 Franken für eine Vierzimmerwohnung einzubezahlen – dies bei durchschnittlichen Jahres-Mietzinsen von 980 bzw. 1200 Franken.
Gegen diese Kapitalbeteiligung wehrte sich die Stadtregierung, weil die ABL von Subventionen auch der Stadt profitierte. Für die ersten Bauetappen beschränkte sich deshalb das Eigenkapital der ABL auf nur gerade zehn Prozent. Durch die Praxis der ABL würden die Ärmsten von den kommunalen Wohnbausubventionen ausgeschlossen, argumentierte der Stadtrat.
Die sogenannte VII. Etappe der Himmelrich-Überbauungen wurde am 15. März 1933 vollendet. Sie ist Teil des Himmelrich 3.
1929 lehnte er deshalb ein Volksbegehren der ABL und des Mieterverbandes ab, das Geld für den Bau von insgesamt 324 ABL-Wohnungen forderte. Sie wollte nur Arbeiter-, nicht aber Mittelstandswohnungen subventionieren. An der Urne wurde der stadträtliche Gegenvorschlag angenommen, der auch den privaten Wohnungsbau berücksichtigte und der als Grundlage für die Wohnbauförderung der frühen Dreissigerjahre diente.
Auch sonst versuchte die Stadt, ihren Einfluss auf die Bautätigkeit der ABL geltend zu machen. 1926 kürzte der Stadtrat beispielsweise die zweite Himmelrich-Etappe um einen Drittel. Damit wollte er die Bautätigkeit auf den folgenden Winter verteilen. Subventionen seien auch als Gegenleistungen für die Arbeitsbeschaffung gedacht, begründete er die Intervention. Dagegen wehrte sich die ABL und drohte mit der Lancierung einer Volksinitiative. Schliesslich lenkte der Stadtrat ein.
An die Fernheizung im Himmelrich 3 waren 247 Wohnungen und fünf Geschäftslokale angeschlossen. 1933 war sie ein Vorzeigeobjekt der ABL.
Politisch verstand es die ABL, ihre Muskeln spielen zu lassen. Zwar befand sie sich als Fürsprecherin der politischen Linken in der Minderheit, doch gemeinsam mit dem «Mieterverein Luzern und Umgebung», der 1923 gegründet worden war, verfügte sie über ein grosses Mobilisierungspotenzial. Unter dem Eindruck der anhaltenden Wohnungsnot wurde eine Reihe von Vorlagen an der Urne angenommen. 1925, 1927, 1929 und 1934 sprach sich das Volk für die Unterstützung des Kleinwohnungsbaus und damit für die Förderung der genossenschaftlichen Bautätigkeit aus.
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